Stürmisch ging es bei der Rallye Türkei bereits vor dem Start zu: Ein Orkan fegte am Mittwoch durch den Servicepark und hinterließ eine Spur der Verwüstung. Als wäre die Sintflut über die küstennahe Bergregion im Hinterland des Start- und Zielorts Kemer geschwappt, boten auch die Schotterprüfungen ein bedauerliches Bild - mit Folgen: Von den ersten vier WP konnte am Freitag nur die dritte befahren werden.

Trotz der schlechten Bedingungen und der Tatsache, dass er als erster startete, nutzte Marcus Grönholm sogleich die Gunst der Stunde - und distanzierte seinen nächsten Verfolger, Petter Solberg, mit einem wahren Teufelsritt auf nur 9,90 Kilometern um beachtliche 24,9 Sekunden. "Das war einfach nur brutal schwierig heute Morgen", stöhnte der 38-jährige Finne, der sich für weiche BFGoodrich-Rallyepneus entschieden hatte, deren Profil aber um zusätzliche Drainagerillen ergänzen ließ. "Auf den Strecken stand so viel Schlamm, dass es eigentlich nur ums Überleben ging. Selbst im ersten Gang wäre ich einige Male fast von der Bahn geflogen."

Auch auf den folgenden beiden Wertungsprüfungen blieb Grönholm ungeschlagen und baute seinen Vorsprung vor Solberg schnell auf 30,8 Sekunden aus. Dann jedoch schlug der Norweger mit drei Bestzeiten am Stück zurück. "Da hat es sich gerächt, dass ich als erster auf die erstaunlich schnell abtrocknende Strecke musste", so der Ford-Pilot, der im Etappenziel immer noch 26,1 Sekunden vor seinem Herausforderer lag. Auf den weiteren Plätzen: Ford-Nummer-2 Mikko Hirvonen ("das war rutschig wie mit Slicks auf Eis!") vor Henning Solberg (Peugeot/BFG), Kosti Katajamäki (Ford/BFG) und Loeb-Ersatz Colin McRae (Citroën/BFG).

Das Wetterchaos kehrte zurück - und damit das Nachschneiden der Profile

Tag zwei der Rallye Türkei begann, wie der erste geendet hatte: mit immer trockener werdenden Schotterwegen. Doch dies sollte nicht lange so bleiben: Gegen Mittag zog sich der Himmel über dem Toros-Gebirge bedrohlich zu, und erneut setzte heftiger Regen ein - zeitweise sogar begleitet von Hagel, der einige Passagen kurzfristig mit einer Eisschicht überzog… "Das entwickelte sich immer mehr zu einem Alptraum!", schüttelte Grönholm den Kopf. "Das Fahren glich eher Schlittschuhlaufen, die massiven Steine insbesondere in den Innenkurven stellten eine stete Bedrohung dar. "

Doch nicht der Finne, sondern sein norwegischer Verfolger sollten an einem dieser Hindernisse scheitern: Petter Solberg traf auf der WP 15 einen Felsen, wurde ausgehebelt und landete in einem Graben, aus dem er sich mit seinem Subaru Impreza nicht wieder befreien konnte. Damit rückte Grönholms Teamkollege und Landsmann Hirvonen auf den zweiten Rang vor. "Ich fuhr ziemlich am Limit", so das 26-jährige Nachwuchstalent, das im Laufe des Tages mit zwei Bestzeiten überraschte. "Ich wollte mir aber auf keinen Fehler einen Fehler erlauben, dennoch wäre ich einmal fast abgeflogen - für mich das klare Signal, etwas Druck herauszunehmen."

Hinter Hirvonen lieferten sich Henning Solberg, Chris Atkinson, Kosti Katajamäki und Xavier Pons ein intensives Duell um den dritten Rang, in dem anfänglich auch Exweltmeister Colin McRae noch mitmischte. Obwohl der ältere Bruder von Petter Solberg auf der WP 11 das Fahrwerk seines BFGoodrich-bereiften Peugeot 307 CC WRC arg malträtierte, konnte er sich dennoch absetzen. Hinter Atkinson vermisste Katajamäki eine funktionierende Handbremse, während WM-Rückkehrer McRae bei der Reifenwahl kein gutes Händchen bewies und bis auf Platz sieben durchgereicht wurde - hinter seinen Kronos-Teamkollegen Xavier Pons, der sich von der achten Position zeitweise bis auf den fünften Rang nach vorn kämpfen konnte und auf der verhagelten WP 15 die viel beachtete Bestzeit setzte.

Erster Doppelerfolg für BFGoodrich-Partner BP Ford in dieser Saison

Auf der letzten Etappe ließen Grönholm und Hirvonen an der Spitze nichts mehr anbrennen und verwalteten ihre Platzierungen - den ersten Doppelerfolg für BP Ford in dieser Saison - sicher bis ins Ziel. "Toll, dass wir unter so schwierigen Bedingungen gewinnen konnten - eine fantastische Teamleistung", freute sich der zweifache Weltmeister über seinen 23. Sieg bei einem WM-Lauf, der zugleich BP Ford an die Spitze der Markenwertung brachte. "Die Reifenwahl, die ich vor der Rallye getroffen habe, umfasste nicht sehr viele ganz weiche BFGoodrich-Pneus. Doch auch die ,Medium'-Mischungen 9- und 9, die ich Samstag Nachmittag und am Sonntag einsetzte, funktionierten hervorragend. Dank guter Wetterprognosen und geschicktem Nachschneiden des Profils konnten wir uns auf die anspruchsvollen Situationen einstellen."

Wie schätzt Grönholm jetzt, nach 13 von 16 Läufen, die Situation in der Weltmeisterschaft ein? "Wir müssen jetzt sehen, dass wir unseren Vorsprung in der Konstrukteurstabelle weiter ausbauen. Obwohl ich meinen Rückstand auf Sébastien Loeb verkürzen konnte, so denke ich nicht wirklich an den Titel."

Tolle Vorstellung auch für Red Bull Skoda-Junior Andreas Aigner

Hinter Henning Solberg arbeitete sich Xavier Pons wieder auf die vierte Position vor, allerdings hatte der nicht für die Marken-WM nominierte Spanier auch in puncto Reifenwahl eine freiere Hand. Kosti Katajamäki musste sich nur um 1,1 Sekunden geschlagen geben, verdrängte seinerseits aber Chris Atkinson noch auf den sechsten Platz. Dani Sordo rettete für Kronos-Citroën Rang sieben, während Colin McRae noch kurz vor Schluss mit einer defekten Lichtmaschine aufgeben musste. Michel Ducher, der den Schotten als BFGoodrich-Ingenieur betreute: "Colin wurde sehr davon benachteiligt, dass er den aktuellen Stand der Rallye-Reifen nicht kannte - gerade unter diesen Bedingungen war dies jedoch von vitaler Bedeutung, um stets die richtige Entscheidung zu treffen."

Das Wetterchaos bot jedoch noch anderen Fahrern die Gelegenheit zu glänzen - wie zum Beispiel Andreas Aigner. Das Nachwuchstalent des Red Bull Skoda-Teams sicherte sich auf der WP 14 die viertschnellste Zeit. Markenkollege François Duval eröffnete den Sonntag sogar mit einer Bestzeit für den BFGoodrich-bereiften Skoda Fabia WRC.

Nachdem bereits in der Fahrerwertung feststeht, dass nur noch ein BFGoodrich-Partner den Titel erringen kann, ist diese Vorentscheidung mit dem Fünffacherfolg in der Türkei auch in der Konstrukteursmeisterschaft gefallen - einzig BP Ford (153 Punkte) und Kronos Citroën kommen als neue Champions in Frage.