Wie kleine Kinder dem heiligen Abend, fiebern Fans und Medien dem Sonntagnachmittag entgegen. Dann wird das verkündet, worauf sie seit Wochen warten, worüber sie pausenlos diskutieren und was sie alle schon in verschiedenen Varianten zu wissen glauben. Der Weihnachtsmann trägt auch in Monza Rot - allerdings ohne einen weißen Bart und Zipfelmütze. Sobald die Verkündung und der unvermeidliche Nachhall vorüber sind, wird aber auch andernorts wieder der Sport in den Mittelpunkt rücken.

1. - S wie Schumacher

In der Startaufstellung steht das große S der Formel 1-Welt auf dem zweiten Platz - hinter seinem möglichen nächstjährigen Teamkollegen oder Nachfolger. Im Rummel um den Ex-Weltmeister wäre fast die Strafe für den amtierenden Weltmeister und sicheren nächstjährigen Nachfolger von Kimi Räikkönen untergegangen. Fernando Alonso wurde für das angebliche Blockieren von Felipe Massa auf dessen letzten Qualifying-Runde auf Platz 10 strafversetzt.

Fernando startet mitten im Pulk., Foto: Sutton
Fernando startet mitten im Pulk., Foto: Sutton

"Im Radsport gibt es Doping, wir haben diese Art von Betrug", grantelte Renault-Motorenlegende Denis Chevrier. Auch Renault-Chefstratege Pat Symonds war von dem Urteil erwartungsgemäß wenig angetan: "Die Leute scheinen vergessen zu haben, wie es früher war, da hatte das halbe Feld Verkehr. That's racing! Was sollen wir machen? Hupen und Blinker einführen?"

Für Michael Schumacher gibt es kaum eine bessere Situation. Der Kerpener freute sich schon über drei Startplätze Abstand zwischen sich und seinem Titelrivalen. Durch die Streichung von Alonsos drei schnellsten Qualifying-Runden sind es jetzt sogar deren acht. Die große Überraschung der Startaufstellung war jedoch ein anderer Deutscher: Nick Heidfeld überraschte nicht nur die Motorsportwelt, sondern auch sich selbst mit Startplatz 3.

2. - S wie Schumacher

Beim Start kann Michael Schumacher nun noch beruhigter zu Werke gehen. Von Platz 5 hätte Alonso ihm noch mit einem der Renault-Raketenstarts gefährlich werden können. "Diese Gefahr bestand durchaus", merkte Marc Surer an. "Denn in Monza ist die Zielgerade sehr lang, da kann man mit einem guten Start viele Plätze gutmachen." Diese Gefahr besteht für die rote Nummer 5 nun nicht mehr. Von den Startplätzen 9 und 10 sind beide Renault keine Gefahr.

Darüber darf auch Sebastian Vettel aufatmen. "Mit einem guten Start könnten sie uns gefährlich werden", befürchtete er kurz nach dem Qualifying. Jetzt kann zumindest Heidfeld sich auf Platz 3 voll auf die Flucht nach vorne konzentrieren - nur Kubica muss auf Rang 7 auf die Renault Acht geben.

Für Alonso gilt hingegen eine ganz andere Konzentration: Der Spanier steckt mitten im Getümmel und könnte leicht in einen Zwischenfall verwickelt werden. "Die erste Kurve ist eine große Gefahr", weiß Pat Symonds um die doppelte Bestrafung für seinen Piloten. "Wenn es krachen sollte, stecken wir mittendrin."

3. - S wie Schumacher

Das Setup spielt an diesem Wochenende nicht nur bei Michael Schumacher eine besondere Rolle. Immerhin ist Monza die letzte echte High-Speed-Strecke des Rennkalenders. Hier zählt vor allem eins: wenig Luftwiderstand und Abtrieb.

Monza ist die schnellste Strecke des Jahres. Das zwingt die Teams dazu ein eigenes Low-Downforce-Aerodynamikpaket zu entwickeln. Das bedeutet aber nicht, dass es reicht die Flügel flach zu stellen - das Design der Flügel muss auch so effizient wie möglich sein, um so wenig Luftwiderstand wie es geht aufzuweisen.

Die Kerbs sind in Monza ziemlich fies., Foto: Sutton
Die Kerbs sind in Monza ziemlich fies., Foto: Sutton

Trotz der teilweisen Neuasphaltierung weist der Kurs an einigen Stellen wellige Bremszonen für die Kurven 4 und 11 auf. Aufgrund des geringen Abtriebs und der aggressiven, hohen Kerbs in den ersten beiden Schikanen spielen der mechanische Grip und die Stabilität eine entscheidende Rolle. Deshalb wird die Fahrzeugfront normalerweise steifer als das Heck abgestimmt. Dadurch sollen Richtungswechsel vereinfacht und die Traktion verbessert werden. Die Bodenfreiheit ist in Monza relativ gering, allerdings darf der Unterboden an den schnellsten Stellen des Kurses nicht auf dem Asphalt schleifen. Deshalb sitzen die meisten Autos auf Gummi-Begrenzern auf.

In Monza kommt es nicht nur auf die Motorkraft an, auch die Bremsen werden stark belastet. Sie sind für ganze 15% einer Runde im Einsatz. Vor allem in Kurve 1 müssen sie nach der Parabolika und der langen Geraden viel aushalten. Umso wichtiger ist es die Bremsen korrekt zu kühlen - beispielsweise mit den umstrittenen Radkappen.

79% der Runde werden mit Vollgas bestritten. Es gibt allerdings einige langsamere Kurven, die den Durchschnitts-Speed auf rund 260 km/h "senken". Entsprechend wichtig wird die Zuverlässigkeit der Motoren, die aber auch eine gute Balance zwischen den schnellen Passagen und den langsamen Schikanen bieten müssen. Beim Überfahren der Kerbs besteht zudem die Gefahr, dass der Motor in den Drehzahlbegrenzer springt oder die Kraftübertragung bei einer allzu harten Landung beschädigt wird.

4. - S wie Schumacher

Die Strategie wird für Michael Schumacher wieder einmal von großer Bedeutung sein. Schon am Freitag prophezeite Christian Danner: "Klar, wird das wieder ein Strategie-Rennen." Und wie üblich haben die Teams sich wieder "gute" Taktiken zurechtgelegt. Zumindest sagten sie das nach dem Qualifying.

Nur bei Renault muss man umdenken: "Wir hatten von Platz 5 eine Siegverdächtige Strategie", erklärte Pat Symonds. "Jetzt wird es viel härter für uns." Denn in Monza darf man von Platz 10 nicht mehr viel erwarten. "Hier ist es schwierig zu überholen, deshalb ist die Bestrafung hier noch größer als auf jeder anderen Strecke, etwa in Montreal", klagte Symonds.

Andernorts baut man hingegen auf die Taktik und die Reifen. So hofft Kimi Räikkönen sehr, dass er vier Rennen vor Schluss vielleicht den ersten Saisonsieg von McLaren Mercedes einfahren kann. Ein Schlüsselfaktor dafür sind die Reifen. Nachdem sich einige Michelin-Fahrer beim Testen über den neuen Asphalt und zu wenig Grip beschwert hatten, scheint am Rennwochenende alles zu passen. Sowohl bei McLaren als auch bei Renault gab es nichts als Lob für die französischen Gummis.

BMW könnte leichter unterwegs sein., Foto: Sutton
BMW könnte leichter unterwegs sein., Foto: Sutton

Die Konstanz der Pneus ließ Fernando Alonso vor seiner Strafe sogar gelassen vom Sieg sprechen. "Ohne den Reifenschaden im Qualifying hätte er die Pace für die Pole gehabt", waren Symonds und Chevrier sicher. Ganz verloren ist die Aufholjagd aber noch nicht. Denn bis zu Fernandos Strafe hatte sein Teamkollege Giancarlo Fisichella den zehnten Rang inne - und auch er gab sich optimistisch: "Das Auto wird von Runde zu Runde besser. Das wird im Rennen sehr wichtig sein und stimmt mich sehr zuversichtlich, dass wir einige Plätze gutmachen können."

Was sagen nun die reinen Fakten für die Strategie voraus? Eine Runde auf dem Autodromo Nazionale di Monza verschlingt rund 2,8 kg Benzin und verursacht geringen bis mittleren Reifenverschleiß. Den Fahrern steht sowohl eine Ein- als auch eine Zweistoppstrategie zur Auswahl. Bei einem Stopp wird der Pilot zwischen der 28. und 30. Runde an der Tankstelle erwartet, bei zwei Stopps liegen die Boxenstoppfenster zwischen den Runden 15 und 26 sowie 32 und 43. Auf der Stoppuhr dauert ein kompletter Boxenstopp 29 respektive 26 Sekunden für eine Ein- respektive zwei Stoppstrategie. Die reine Standzeit beträgt jeweils 10 beziehungsweise 8 Sekunden.

5. - S wie Schumacher

Das Sonntagswetter hätte das werden können, was früher einmal als Schumacher-Wetter bezeichnet wurde. Vor dem Rennwochenende befürchteten jedenfalls einige Wetterfrösche, dass es am Sonntag regnen könnte. Michelin-Projektleiter Nick Shorrock sprach sogar von "miesen" Wetterverhältnissen und Regenschauern für den Sonntag. Diese Prognosen haben sich mittlerweile in der Wolkendecke aufgelöst: Bei Temperaturen zwischen 16 und 29 Grad beträgt das Niederschlagsrisiko morgen Nachmittag 0 Prozent.

6. - S wie Schumacher

Aufgrund der hohen Top-Speeds wurden Michael Schumacher und Ferrari vor dem Monza-Wochenende als klare Favoriten gehandelt. Im Qualifying war jedoch keiner der Roten an der Spitze der Top-Speed-Tabelle zu finden. Nick Heidfeld konnte auch ohne die zur Saisonmitte umstrittenen Flexi-Wings die höchste Geschwindigkeit erzielen. Schumacher liegt vier km/h hinter seinem Teamkollegen und auch knapp hinter Alonso. Zum Überholen dürfte dieser Unterschied trotz Windschatten nicht ausreichen.

Platz Fahrer Top-Speed
1. Nick Heidfeld / BMW 348,4
2. Giancarlo Fisichella / Renault 346,2
3. Felipe Massa / Ferrari 345,9
4. Scott Speed / Cosworth V10 345,1
5. Robert Kubica / BMW 344,7
6. Christian Klien / Ferrari 344,2
7. Fernando Alonso / Renault 343,8
8. David Coulthard / Ferrari 342,7
9. Michael Schumacher / Ferrari 341,8
10. Ralf Schumacher / Toyota 341,6
11. Nico Rosberg / Cosworth 341,3
12. Pedro de la Rosa / Mercedes 340,0
13. Tiago Monteiro / Toyota 339,9
14. Christijan Albers / Toyota 339,9
15. Jarno Trulli / Toyota 339,5
16. Kimi Räikkönen / Mercedes 339,5
17. Tonio Liuzzi / Cosworth V10 338,2
18. Mark Webber / Cosworth 337,3
19. Jenson Button / Honda 336,6
20. Rubens Barrichello / Honda 335,6
21. Takuma Sato / Honda 334,1
22. Sakon Yamamoto / Honda 332,8

7. - S wie Schumacher

Die Spannung steuert langsam auf ihre beiden Höhepunkte zu. Zwei Höhepunkte? Ja, für die einen zählt an diesem Wochenende nur das eine, für die anderen vor allem das Rennen. Dieses wird laut Marc Surer sehr "ausgeglichen" sein - sowohl bei den Reifen als auch bei den Spitzenteams. "Es ist so ausgeglichen, dass man sich nicht festlegen kann. Aber ich sehe den Ferrari immer noch als das stärkere Auto an", prognostizierte der Schweizer.

Die Spannungsmomente drehen sich aber nicht nur um den Titelkampf zwischen Michael Schumacher und Fernando Alonso. Es gibt noch einige weitere offene Fragen, etwa jene nach dem ersten Saisonsieg von McLaren Mercedes und Kimi Räikkönen oder jene nach dem zweiten Podestplatz für Nick Heidfeld. Es ist also für einen packenden Sonntagnachmittag gerichtet. Das weiß auch der Hauptprotagonist Michael Schumacher, der wünschte seinen Fans schon nach dem Qualifying "viel Spaß".