Knapper geht's nimmer: Mit einem Vorsprung von gerademal 5,6 Sekunden bei einer Gesamtfahrzeit von drei Stunden, 22 Minuten und 20,4 Sekunden hat Sébastien Loeb am Sonntag die Rallye Japan für sich entschieden, den elften von 16 Läufen zur Rallye-Weltmeisterschaft 2006. Der Titelverteidiger profitierte dabei von zwei Fahrfehlern, die sich sein Rivale Marcus Grönholm am Morgen der zweiten Etappe erlaubt hatte.

Der Ford Focus RS WRC-Pilot konnte sich auf den acht überaus feuchten und rutschigen Wertungsprüfungen des Freitags noch einen Vorsprung von 11,5 Sekunden herausarbeiten, den er mit einem Dreher auf der WP 14 (+23,7 s) und einem Verbremser auf der darauf folgenden Prüfung (+10,5 s) in einen 27,9-Sekunden-Rückstand verwandelte. "Das geht auf mein Konto", ärgerte sich der 38-Jährige. "Zuerst habe ich mich in einer schnellen Rechtskurve mit einem Rad in eine Spurrille eingeklinkt, dann bin ich in einer langsamen Links von der Straße gerutscht. Jedes Mal musste ich zurück auf die Piste setzen. Das hat viel Zeit gekostet. Keine Ahnung, warum mir solche Fehler unterlaufen."

Ein Geschenk, das Sébastien Loeb auf der Jagd nach seinem 27. WM-Sieg natürlich bereitwillig annahm. "Wir sind absolut volles Rohr gefahren", gestand der amtierende Champion, der für die erste Schleife ebenso wie Grönholm auf die weiche Mischung des BFGoodrich g-Force Gravel gesetzt hatte, diese aber angesichts einiger immer noch schlammigen Passagen mit zusätzlichen Drainage-Rillen versehen ließ - und damit auf der 20,75 Kilometer langen WP 13 gleich 6,8 Sekunden schneller fahren konnte. "Lediglich auf den harten Passagen der WP ,Sipikarkim 2' nahm ich etwas Tempo raus, um das Auto zu schonen. 25,6 Sekunden Vorsprung sind natürlich nicht schlecht, aber am Sonntag stehen uns noch fast 100 Wertungsprüfungs-Kilometer bevor. Das Duell ist noch lange nicht entschieden."

Faszinierendes Finale sah furioses Duell zwischen Loeb und Grönholm

Der Titelverteidiger sollte recht behalten: Grönholm, noch immer verärgert über seine Patzer, blies entschlossen zum Angriff. Während die schnellen Schotterpisten durch die engen japanischen Wälder immer weiter abtrockneten, knabberte der finnische Ford Focus-Pilot immer größere Stücke von seinem Rückstand ab. Nach drei WP kehrte er mit nur noch 15,7 Sekunden Rückstand in den Service Park zurück - und die Rallye-Gemeinde hielt vor Spannung die Luft an. "Die Prüfungen waren immer noch sehr rutschig", erläuterte Loeb. "Auf der ersten WP heute morgen erlaubte ich mir einen kleinen Fehler, obwohl ich eine gute Reifenwahl getroffen habe. Ich versuche, nicht zu große Risiken einzugehen - denn noch lieber als diese Rallye möchte ich die Meisterschaft gewinnen…"

WP 25, die drittletzte der Rallye Japan: Grönholm setzt mit 9.13,4 Minuten über den 17,04 Kilometer langen Schottertanz erneut die Bestzeit. Loeb ist 6,9 Sekunden langsamer. Sein Vorsprung schrumpft auf 8,8 Sekunden. WP 26 (24,88 km): Erneut fährt der Finne die Bestzeit, ist allerdings nur 3,4 Sekunden schneller als der Franzose, der sich mit Händen und Füßen wehrt. 5,4 Sekunden trennten die beiden Rivalen jetzt. Doch die finale Wertungsprüfung, eine so genannte "Super Special Stage", ist nur 1,3 Kilometer lang - zu wenig, um den Titelverteidiger noch abzufangen. "Am Ende ging die Rallye einfach zu früh zu Ende", resümierte Grönholm. "Ich bin ein wenig enttäuscht, auch wenn das Duell mit Sébastien phantastisch war. Wir fuhren hier unter wirklich schwierigen Bedingungen, denn schmierige Passagen mit praktisch null Grip wechselten sich ständig mit trockenen Sektionen ab - keine leichte Aufgabe, unter diesen Anforderungen voll zu attackieren. Ohne absolutes Vertrauen in unsere BFGoodrich-Pneus wäre dieses irrwitzige Tempo nicht möglich gewesen."

Loeb konnte sein Glück im Ziel kaum glauben. "Von allen 27 WM-Siegen kommt diesem Erfolg vermutlich die größte Bedeutung zu", gestand der 31-Jährige. "Der Zweikampf mit Marcus war sensationell, zumal wir uns beide fast das gesamte Wochenende für die stets gleichen Reifen-Typen entschieden hatten. Der einzige Unterschied bestand darin, wie sehr wir die Profile durch Nachschneiden öffnen ließen. Dabei war es nicht einfach, die richtigen Pneus auszuwählen."

Eine schwierige Aufgabe, wie auch Patrick Letort bestätigt, der Technische Leiter der Rallye-Abteilung von BFGoodrich: "Der ständige Wechsel zwischen nassen, matschigen Pisten und trockenen Passagen hat die Arbeit für uns, die Teams und die Fahrer sehr erschwert. In der Regel griffen die Piloten zur besonders weicheren Mischung ,8-' unseres g-Force Gravel sowie zum mittelweichen ,9-'. Die engen und schnellen Wertungsprüfungen der Rallye Japan verlangen Pneus, die viel Haftung, aber auch eine hohe Lenkpräzision bieten. Der verregnete Freitag ermöglichte es uns sogar, einige Lösungen für das bevorstehende Saisonfinale auszuprobieren, die RAC-Rallye in England."

Ford-Junior Hirvonen komplettierte das tolle Ergebnis für BFGoodrich mit Rang drei

Etwas ruhiger verlief der elfte Saisonlauf für Mikko Hirvonen: Der finnische Youngster am Steuer des zweiten Ford Focus RS WRC konnte sich bereits in der Anfangsphase der Rallye auf der dritten Position festsetzen, die er mühelos verteidigte. "Wir konnten uns darauf konzentrieren, konstant schnell zu fahren und erneut WM-Punkte für Ford zu sammeln", so der 26-Jährige, der damit in den zurückliegenden fünf Saisonläufen viermal den Sprung aufs Podest geschafft hat und sich nun neue Ziele setzt: "Jetzt wollen wir Dani Sordo noch den dritten Platz in der Fahrerwertung streitig machen."

Der Spanier, der mit seinem Kronos-Citroën Xsara ebenfalls für die Teamwertung nominiert war, büßte am Sonntag alle Chancen auf WM-Punkte ein: Erst wurde er von Luis Peres-Companc aufgehalten, der seinen Stobbart-Ford Focus gegen eine Felswand geworfen hatte und mit dem Wrack die Straße versperrte. Dies kostete ihn den sechsten Rang. Dann beging das hoffnungsvolle Nachwuchstalent einen verhängnisvollen Fehler: Er setzte die WP fort, ohne die Sicherheitsgurte wieder anzulegen - was die Sportkommissare sofort mit dem Wertungsverlust ahndeten. Seine Japan-Premiere gab auch Manfred Stohl. Der "Austria-Express" hielt sich mit seinem ebenfalls BFGoodrich-bereiften Peugeot 307 CC WRC aus allen Scharmützeln heraus und fuhr einen hervorragenden fünften Rang heraus.