Nur 22 Punkte, WM-Rang 14. Die MotoGP-Saison 2024 verläuft für Jack Miller noch so gar nicht nach Plan. Selbst auf dem Circuito de Jerez, wo der KTM-Pilot im Vorjahr in beiden Rennen noch als Dritter auf dem Podium stand, war diesmal nichts zu holen. Ein verpatztes Qualifying, Sturz im Sprint, Performance-Einbruch und Kollision im Hauptrennen. Miller rätselt: "Ich weiß nicht, ob ich einer schwarzen Katze begegnet bin oder unter einer Leiter durchgelaufen bin." Das mit der KTM RC16 mehr gehen müsste, zeigt schließlich GasGas-Superrookie Pedro Acosta. Nun könnte zumindest eine Erklärung gefunden sein.

"Ich hatte eine Menge Vibrationen", berichtete Miller am Sonntag in Jerez von einem modernen MotoGP-Problem, unter dem an den ersten Rennwochenenden des Jahres 2024 speziell auch die Ducatis stark gelitten hatten: Das Chattering. Dabei handelt es sich um heftige Vibrationen des Rades in Schräg- bzw. Kurvenlage, welche sich auf das gesamte Bike übertragen können. Die Gründe, welche Chattering entstehen lassen können, können dabei vielschichtig sein, was die Lösung des Problems stark erschwert. Im Jahr 2024 allerdings scheinbar unweigerlich damit verbunden: Die neuen Reifen von MotoGP-Einheitshersteller Michelin. "Es scheint an den neuen Hinterreifen zu liegen", vermutet auch Miller.

Michelin: Neues Gummi zur MotoGP-Saison 2024, neue Karkasse erst 2025

Nach teils heftiger Kritik in den vergangenen Jahren hatte sich der französische Reifenhersteller dazu entschlossen, zur Saison 2024 in einem ersten Schritt eine neue Gummimischung für den Vorderreifen, die besser an die Herausforderungen der modernen MotoGP angepasst wurde, an den Start zu bringen. Die vorherige Variante kam bereits seit 2017 zum Einsatz, als die Bikes noch gänzlich anders aussahen und funktionierten. 2025 soll dann schließlich auch noch eine neue Karkasse eingeführt werden, um die starke Temperaturanfälligkeit im Verkehr final in den Griff zu bekommen. Während sich das erste 'Update' von Michelin in Sachen Rundenzeiten bereits als voller Erfolg entpuppte, scheint das neue Gummi aber auch Nachteile mit sich zu bringen.

"Du leidest jetzt mehr unter Twitching [Zuckungen, Anm.] und kannst nicht mehr in die Kurven sliden. Vielmehr drückt der Reifen gegen deine Lenkbewegungen oder hakt sich im Asphalt fest und beginnt dann zu springen. So bekommst du am Kurveneingang Vibrationen", beschreibt Miller und erklärt: "Sobald ich das Motorrad in die Kurven werfen oder reinrollen lassen wollte, hatte ich starke Vibrationen. Du musst dann warten, bis die Vibrationen wieder abgeklugen sind, ehe du fahren kannst, wie du das eigentlich möchtest."

2023 sorgten die KTMs in Jerez mit ihrem Fahrstil noch für spektakuläre Bilder, Foto: LAT Images
2023 sorgten die KTMs in Jerez mit ihrem Fahrstil noch für spektakuläre Bilder, Foto: LAT Images

MotoGP 2024: Sliding nicht mehr möglich!

Die Folge ist, dass 2024 eine Veränderung des Fahrstils notwendig wird. Zumindest zum aktuellen Zeitpunkt scheint das neue Michelin-Gummi keine spektakulären Slides, wie sich die KTM-Piloten Brad Binder und Miller im Vorjahr beim Spanien Grand Prix zelebrierten, mehr zuzulassen. "Wir müssen noch verstehen, wie du den Reifen im korrekten Fenster hältst. Wenn er performt, ist das ein fantastischer Reifen. Aber wir müssen noch herausfinden, wie wir ihn im passenden Fenster halten, damit er auch performt", sagt Miller und ergänzt: "Wir müssen unseren Fahrstil praktisch neu erfinden." Aufgezeigt habe das speziell die erste Kurve in Austin: "Das war in der Vergangenheit immer eine Kurve, in der du weitgehen und unterschiedliche Linien wählen konntest. Das haben wir dieses Jahr nicht gesehen. Der Style der MotoGP hat sich in den letzten Grand Prix stark verändert."

Da Pedro Acosta die MotoGP nur mit den neuen Michelin-Vorderreifen kennt, hatte er an den ersten vier Rennwochenenden des Jahres 2024 auch keinerlei Anpassungsschwierigkeiten. Bei Miller und Co. ist das naturgemäß anders. Ob ihnen im Jerez-Test nach dem Spanien GP ein Fortschritt gelang, zeigt sich am kommenden Wochenende. Dann gastiert die MotoGP auf dem Bugatti Circuit im legendären Le Mans zum Frankreich GP.