Irgendwann wird jeder Job zur Routine. Der Beruf als MotoGP-Journalist ist da keine Ausnahme. Gewisse Abläufe in der Berichterstattung an der Rennstrecke wiederholen sich nach mehr als einem Jahrzehnt zwangsläufig immer wieder. Das beginnt mit der Buchung von Flügen, Mietautos und Hotels, reicht über das Packen des Koffers, bis hin zur Anreise und dem eigentlichen Begleiten des Events vor Ort.

Da muss man sich bei manchen Grands Prix selbst daran erinnern, welches Privileg es eigentlich ist, diese Arbeit ausüben zu dürfen. Und dann gibt es Rennwochenenden wie das diesjährige in Jerez, an denen das von ganz alleine passiert. Die vergangenen Tage im Süden Spaniens waren eine einzige große Abfolge von Gänsehautmomenten. In den folgenden Zeilen möchte ich euch auf diese Reise mitnehmen.

Gegen Francesco Bagnaia nachgegeben: Ein neuer Marc Marquez? (06:56 Min.)

Dass der Gran Premio de Espana mehr als nur ein weiteres MotoGP-Event ist, wird einem bereits bei der Ankunft an der Strecke am Freitagmorgen bewusst, wenn der kultige Streckensprecher die Fans in voller Lautstärke begrüßt. "Bienvenidos a casa", brüllt er ihnen mit seiner rauchigen Stimme entgegen - "Willkommen zuhause." Tatsächlich ist Jerez so etwas wie die inoffizielle Heimat der MotoGP. Nirgendwo sonst spürt man die Begeisterung für den Motorradsport so wie hier.

296.741 Fans und damit einen neuen Rekordwert vermeldete die MotoGP für das gesamte Rennwochenende, 144.678 alleine am Sonntag. Sie machten in Jerez die Nacht zum Tag und tauchten die Innenstadt in eine Wolke aus Motorenlärm, Biergeruch und verbrannten Gummi. Ausschlafen ist hier am Renntag dennoch verboten. Bereits um 6 Uhr früh, lange bevor die Sonne über dem Circuito de Jerez aufgeht, sind die Hänge im Bereich der Kurven 'Angel Nieto' und 'Peluqui' bereits bis auf den letzten Platz gefüllt. Auf Kommando erleuchtet das Stadion mit seinen Handys den Nachthimmel.

Für ihren Schlafentzug werden die Fans an diesem Wochenende mit durchgehendem Spektakel auf der Strecke belohnt. Auf einen Regenkrimi im Qualifying folgt eine irre, aber glücklicherweise glimpflich endende Sturzorgie im Sprint, gekrönt von einem Gigantenduell zwischen Francesco Bagnaia und Marc Marquez im Grand Prix. Eine epische Schlacht, die die Zweiradhelden mit ihren Verehrern gebührend zelebrieren. Marquez hängt am Zaun und geht unter frenetischem Jubel auf Tuchfühlung mit dem Publikum. Stiefel und Handschuhe fliegen in die Menge. Feuerwerkskörper werden gezündet. Die MotoGP feiert sich selbst - und das völlig zurecht.

Die Formel 1 mag aktuell einen Hype erleben und über Zuschauerzahlen jubeln, die für die Motorrad-Weltmeisterschaft wohl immer unerreichbar bleiben werden. Doch diese Leidenschaft, die man in den vergangenen Tagen in Jerez erleben konnte, sucht ihresgleichen. Hier wird großer Sport gefeiert. Und mit ihm alle seine Protagonisten. Egal ob siegreich oder weit abgeschlagen. Egal ob auf Ducati, KTM oder Honda. Und egal ob aus Spanien, Italien oder Japan. Genau so soll es sein. Bis bald, Jerez! Es war mir eine Ehre.