Treue MotoGP-Zuschauer dürften am Freitagnachmittag durchaus etwas verwundert dreingeblickt haben, als Francesco Bagnaia wenige Sekunden vor Ende des Trainings in Jerez plötzlich mit einer Bestzeit-Runde an die Spitze des Klassements schoss. Schließlich gilt der amtierende Weltmeister eigentlich als Spätstarter in ein MotoGP-Wochenende, kommt er doch regelmäßig erst zum Hauptrennen am Sonntag in Topform. In Jerez war das nun anders, Bagnaia pulverisierte mit seiner Bestmarke den bisherigen Rundenrekord um anderthalb Zehntel. Der erhoffte Befreiungsschlag nach schwierigem Saisonstart? Mit Nichten!

"Wir sind heute eine andere Strategie gefahren als üblich, wir haben den heutigen Freitag als eine Art Test genutzt. Das war sehr nützlich, denn wir konnten deutlich mehr Dinge ausprobieren", berichtete Bagnaia gleich zu Beginn seiner Medienrunde. Im Vordergrund stand beim Ducati-Piloten einmal mehr, die mysteriösen Chattering-Probleme der vergangenen Wochen endlich in den Griff zu bekommen. Gelang ein Durchbruch? "Wir hatten keine Vibrationen", zeigt sich der zweimalige MotoGP-Sieger in Jerez zunächst optimistisch, warnt aber sofort: "Üblicherweise tauchen sie [die Vibrationen, Anm.] auch erst am Samstag im Sprint auf. Wir müssen also auf dem Boden bleiben."

Ducati kämpft mit Chattering: Problemherd entdeckt? (08:02 Min.)

Francesco Bagnaia will Ducatis Chattering-Probleme in Jerez "umfahren"

Doch was wurde am Freitag überhaupt getestet? "Das will ich euch nicht sagen", scherzte Bagnaia und verstrickte sich dann in Geheimniskrämerei. "Es war etwas großes, weil wir eine große Veränderung gebraucht haben." Mehr wollte er auch auf Nachfrage der Journalisten zunächst nicht verraten. Zumindest die Grundidee des veränderten Tagesablaufes war dem gebürtigen Turiner dann aber doch noch zu entlocken: "Es ging mir darum, ein besseres Gefühl für das Motorrad aufzubauen. Denn wenn du ein besseres Gefühl hast, kannst du mehr tun, um dich am Kurvenausgang in bessere Positionen bringen. Das könnte helfen."

Eine echte Lösung für das Chattering-Problem scheint Ducati also weiterhin nicht gefunden zu haben. Vielmehr liegt der Fokus nun darauf, die Rundenzeit an anderer Stelle zu gewinnen und die Vibrationen gewissermaßen zu umfahren. Soweit die Theorie. Ob das auch in der Praxis funktioniert wird, zeigt sich wohl erst in Sprint und Grand Prix. Zumindest zum jetztigen Zeitpunkt ist Bagnaia jedoch zufrieden mit der getanen Arbeit: "Wir haben heute morgen mehr oder weniger mit dem gleichen Bike wie in Austin begonnen und dann unterschiedliche Dinge ausprobiert. Mit jeder Session und jedem Outing wurde es besser und einfacher zu fahren, ich konnte mehr und mehr pushen."

Francesco Bagnaia fühlt sich in Jerez in der Anbremsphase wieder wohler, Foto: LAT Images
Francesco Bagnaia fühlt sich in Jerez in der Anbremsphase wieder wohler, Foto: LAT Images

Rückkehr zur Ducati-Dominanz? Francesco Bagnaia will noch abwarten

Der Italiener gilt in der MotoGP durchaus als sensibler Fahrer, der seine Stärke vor allem auf der Bremse hat. Doch genau diese Stärke konnte Bagnaia zuletzt kaum ausspielen, weil die Vibrationen in der Anbremsphase zu viel Unruhe in das Motorrad brachten. Dem konnte nun entgegengewirkt werden. "Ich würde sagen, dass sich mein Gefühl auf der Bremse und im Kurveneingang verbessert hat. Ich spüre deutlich weniger Bewegung im Bike, das freut mich", meint Bagnaia und erklärt: "Wenn du dich auf dem Bike nicht wohlfühlst, hast du oftmals zu viel Speed im Kurveneingang. Du gehst weit, alles wird komplizierter. Jetzt ist die Situation viel besser."

Kehrt die MotoGP in Jerez also nach zuletzt drei Aprilia-Siegen in den letzten vier Rennen zum vor dem Saisonstart erwarteten Bild einer Ducati-Dominanz zurück? "Ich hoffe es natürlich", scherzt Bagnaia, ergänzt aber sofort: "Ich bevorzuge es, erst nach dem Rennen am Sonntag darüber zu urteilen. Schließlich habe ich mich auch in Austin gut gefühlt und hatte dann in beiden Rennen große Probleme. Warten wir also bis Sonntag."