Wie lautet Ihr Fazit nach der Debütsaison des BMW Sauber F1 Teams?
Mario Theissen: Wir haben mit dem Erreichten unsere Erwartungen übertroffen. Wir haben es in unserem ersten Jahr bereits zwei Mal aufs Podium geschafft, das war nicht unbedingt zu erwarten. Aber viel wichtiger ist die Tatsache, dass wir uns im Laufe der Saison kontinuierlich gesteigert haben. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber zufrieden sind wir erst, wenn wir die Lücke zur Spitze geschlossen haben.

Was waren für Sie Highlights?
Mario Theissen: Wir haben viel auf den Weg gebracht. Wir haben schon im vergangenen Jahr ein Auto für die Wintertests auf die Beine gestellt, wir haben die Personalstärke erhöht und den Windkanal auf Zweischichtbetrieb umgestellt. Jetzt stellen wir schneller als erwartet schon Ende Oktober auf Dreischichtbetrieb um. Das sind Maßnahmen, hinter denen großer Arbeitseinsatz steckt. Für die Öffentlichkeit sichtbar waren andere Höhepunkte. Natürlich vor allem die Podiumsplatzierungen. Was mich aber noch mehr freut, ist, dass das Team im neuen Verbund erstmals während einer Saison im Vergleich zur Konkurrenz stärker wurde, anstatt abzufallen. Das ist das beste Signal dafür, dass alle vorher genannten Maßnahmen anschlagen.

Und die Tiefpunkte?
Mario Theissen: Die gab es in den Rennen, in denen wir mit sehr guten Aussichten an den Start gegangen sind und dann durch Kollisionen aus dem Rennen geworfen wurden. Das war in Indianapolis, Istanbul und Shanghai der Fall und hat uns eine Menge Punkte gekostet. Natürlich ist es auch nicht erfreulich, wenn man durch Technikdefekte ausfällt oder das Auto auf einer Strecke einfach nicht schnell genug ist. Das verbuchen wir allerdings unter der Rubrik Fehler, aus denen man lernen und Hinweise für die Weiterentwicklung ziehen kann.

Wo lagen die Stärken des Teams?
Mario Theissen: Die sehe ich in mehreren Bereichen. Zunächst war noch 2005 das Management gefordert, einen Generalplan für die nächsten Jahre aufzustellen. Über den Winter ist es uns gelungen, starke Partner zu gewinnen, die dem jungen Team den nötigen Know-how- und Budget-Background geben. Im Laufe der Saison hat sich ein sehr viel versprechendes Fahrerteam zusammen gefunden. Schließlich konnte man die ersten Früchte der Arbeit, die ein Jahr zuvor hinter den Kulissen begonnen hatte, auf der Rennbühne an den Ergebnissen ablesen.

Und wo muss nachgebessert werden?
Mario Theissen: Wir befinden uns erst in der Mitte eines zweijährigen Aufbauplans, dessen Ziel es ist, die Schlagkraft der Topteams zu erreichen. Momentan sind wir auf der Entwicklungsseite noch nicht auf diesem Niveau. Das gilt sowohl für die Entwicklungsgeschwindigkeit als auch für die Zahl der Projekte. Mit dem kompletten Ausbau des Teams und der Fabrik werden wir diese Lücke bis Ende 2007 geschlossen haben.

Haben Sie je an der Entscheidung, dieses Team zu gründen, gezweifelt?
Mario Theissen: Nein.

Wie weit ist der Neubau in Hinwil?
Mario Theissen: Derzeit befindet sich zwischen der bestehenden Fabrik und dem Windkanal ein großes Loch. Mit dem Neubau wird in den nächsten Wochen begonnen. Bis Ende 2007 soll er bezogen sein.

Wie viele neue Mitarbeiter sind an Bord – und wie viel fehlen noch?
Mario Theissen: Wir haben bereits 100 der vorgesehenen 150 neuen Mitarbeiter ins Team integrieren können und liegen damit im Plan.

Seit wann wird am BMW Sauber F1.07 gearbeitet?
Mario Theissen: Die ersten Ideen wurden im Mai 2006 konzipiert. Seit August konzentriert sich die Aerodynamikabteilung in Hinwil auf die Arbeit am nächstjährigen F1.07. Im September begann dort die Hauptarbeit in der Konstruktionsabteilung.

Wie beurteilen Sie den Umstieg auf V8-Motoren nach einer Saison?
Mario Theissen: Die Vorlaufzeit für die Umstellung war zu kurz. Alle Hersteller haben in der ersten Saisonhälfte mit Zuverlässigkeitsproblemen gekämpft, weil sich die Entwicklung zur Rennreife in die Saison hineinzog. Mittlerweile ist die Umstellung vollzogen. Bezüglich Zuverlässigkeit und spezifischer Leistung haben die V8- Motoren das Niveau der V10 erreicht.

Sind Sie zufrieden mit dem Motor, den Sie der FIA zur Homologation gegeben haben?
Mario Theissen: Ja, die Techniker in München haben in der zweiten Saisonhälfte eine gute Kombination aus Leistung und Zuverlässigkeit entwickelt, mit der wir für die kommenden Jahre gut gerüstet sind.

Profitiert das Unternehmen BMW durch das selbst geführte Team stärker von dem Formel-1-Projekt?
Mario Theissen: Wir haben die Formel 1 immer schon und wie kein anderes Team nicht nur als Marketing-Plattform gesehen, sondern als Technologiebeschleuniger im Unternehmen. Bis 2005 hat sich dies auf die Motorentechnik und Elektronik konzentriert. Im neuen Team kommen alle übrigen Bereiche, insbesondere die Aerodynamik, hinzu. Auch hier wird es einen engen Austausch zwischen Formel 1 und Serie geben.

Mit welchen Fahrern tritt das BMW Sauber F1 Team 2007 an?
Mario Theissen: Wir gehen 2007 mit Nick Heidfeld und Robert Kubica ins Rennen. Zum regulären Testfahrer wird der erst 19-jährige Sebastian Vettel befördert.

Wie beurteilen Sie dieses Trio?
Mario Theissen: Wir sind sehr zufrieden mit unseren Fahrern und diesbezüglich für die Zukunft gut aufgestellt. Nick ist der erfahrene Mann im Team, sowohl was die Laufbahn in der Formel 1 als auch die Zugehörigkeit zum Team angeht. Er ist für Sauber gefahren und bestreitet 2007 seine dritte Saison für BMW. Er ist also mit dem Team und dessen Arbeitsweise bestens vertraut. Nick hat in der abgelaufenen Saison mehrere starke Rennen gezeigt, insbesondere bei Regen. Er hat den größten Teil der Punkte eingefahren, die uns von Platz acht auf Platz fünf in der Konstrukteurswertung vorgebracht haben. Robert war bis zu seiner Nominierung als Testfahrer vor weniger als einem Jahr mit seinen damals gerade 21 Jahren noch ein unbeschriebenes Blatt. Er hat sich von Beginn an sowohl bei Testfahrten als auch in den Freitagstrainings eindrucksvoll in Szene gesetzt. Der Lohn war der Umstieg ins Renncockpit in Budapest, den er schon im dritten Grand Prix mit einer Podiumsplatzierung gerechtfertigt hat. Nach diesen Leistungen haben wir ihn für 2007 als Einsatzfahrer bestätigt. Nach dem Aufrücken von Robert hat ein mit 19 Jahren nochmals jüngerer Fahrer an die Tür geklopft – Sebastian Vettel. Bereits im Alter von sechs Jahren in den Motorsport eingestiegen, hat er im Nachwuchsbereich enorme Erfolge gesammelt. In einem Formel-1-Auto hatte er bis zu seinem ersten Einsatz allerdings nur wenige Testkilometer. Trotzdem konnte er in den Freitagstrainings auf Anhieb an die Leistungen von Robert anknüpfen. Das bezieht sich nicht nur auf die Rundenzeiten, sondern auch auf die Abstimmungsarbeit. Dieser Einstieg war für uns Grund genug, ihn als Testfahrer zu bestätigen.