Noch einmal schlafen und dann ist es soweit: Der letzte F1-Sonntag mit Michael Schumacher nimmt seinen Lauf. Die ohnehin schon minimalen Chancen auf das rote Wunder sind nach dem Qualifying auf mikroskopische Dimensionen geschrumpft. Aber man soll die Party-Nacht ja nicht vor dem Renntag verteufeln...

S wie Schumachers Startplatz

P10 - für sein letztes Rennen hätte sich Michael Schumacher sicherlich eine bessere Startposition vorstellen können, insbesondere da er jetzt statt einer überlegenen Demonstrationsfahrt an der Spitze eine letzte Aufholjagd zeigen muss.

Bereit für die letzte Ausfahrt., Foto: Sutton
Bereit für die letzte Ausfahrt., Foto: Sutton

"Wir haben Benzindruck verloren, wissen aber noch nicht warum", war die erste Erklärung von Technikchef Ross Brawn. So richtig wusste man aber auch am späten Abend noch nicht, was an Schumachers Ferrari kaputt gegangen war. "Wir sind raus gefahren, dann hatte er keinen Benzindruck mehr." Das lange Warten an der roten Ampel sei nicht das Problem gewesen, auch wen Hans Joachim Stuck die Scuderia dafür hart verurteilte. "Das macht für mich überhaupt keinen Sinn. Das beste Beispiel ist Kimi Räikkönen. Der sitzt gemütlich in der Box, trinkt noch einen Schluck und wenn alle weg sind, fährt er los", sagte Stuck. "Wenn man weiß, dass die Motoren sich sehr schnell aufheizen, finde ich es unvernünftig, was Ferrari da macht. Andererseits hat Michael Schumacher schon so viel Glück gehabt, irgendwann ist es einmal zu Ende."

Entsprechend der realistischen Welle von Suzuka sagt Schumacher deswegen auch: "Wir müssen jetzt von Platz 10 starten und schauen was drin ist. Dass ich damit nicht glücklich bin, ist selbstverständlich." Für seinen Titelrivalen Fernando Alonso verlief das Qualifying besser - sogar besser als erwartet. "Wir wussten, dass das Qualifying der schwere Teil des Wochenendes wäre. Und dass es danach einfacher wird", sagte Alonso. "Die vierte Position ist sehr gut für das Rennen, besonders weil Michael nicht wirklich in der Position ist, das Rennen zu gewinnen. Aber das darf nichts ändern. Wir müssen ein ganz normales Rennen fahren."

S wie Schumachers Start

Vor dem Rennwochenende wurden der Start und die erste Kurve als kleiner roter Hoffnungsschimmer bezeichnet, jetzt könnte genau das zum endgültigen Desaster führen. Das enge Senna S am Ende der Start- und Zielgeraden ist berüchtigt für Kollisionen. Mitten im Feld auf Startplatz 10 ist Schumacher da natürlich einer viel größeren Gefahr ausgesetzt als Alonso auf Platz 4 oder Massa auf der Pole Position. Das ist besonders ärgerlich, da alle Ferrari-Verantwortlichen dank ihrer überlegenen Qualifying-Pace zumindest einen Platz in der ersten Reihe erwartet hatten.

Jetzt muss Schumacher sich aus Problemen heraushalten, gleichzeitig aber schon am Start so viele Plätze wie möglich gutmachen. Vor allem die möglicherweise voll getankten BMW Sauber vor ihm könnten ihm sonst zum Verhängnis werden. Vorne kann Felipe Massa derweil einsam seine Kreise ziehen - Kimi Räikkönen dürfte mit dem Speed des Ferrari nicht mithalten können. Davon gehen sowohl der Finne als auch Norbert Haug aus. Alonso könnte hingegen ein anderes, alt bekanntes Problem bekommen: Den Trulli Train. Sollte er am Start nicht an seinem Ex-Teamkollegen vorbeikommen, könnte er lange Zeit auf den Heckflügel des Toyota schauen. Auch Ralf Schumacher weiß seit Suzuka wie das ist...

S wie Schumachers Setup

Auch Schumacher muss noch einmal über die vielen Bodenwellen., Foto: Sutton
Auch Schumacher muss noch einmal über die vielen Bodenwellen., Foto: Sutton

Interlagos ist eine Strecke der Extreme - natürlich vor allem der extremen Bodenwellen. Aber es steckt auch eine extreme Kombination aus langsamen Haarnadeln und schnellen Geraden im Autodromo Carlos Pace. Aufgrund der geringen Streckenlänge von 4,309 Kilometern werden 71 Runden gefahren. Da es entgegen dem Uhrzeigersinn geht, müssen vor allem die Nackenmuskeln der Fahrer viel aushalten.

Bei den Autos konzentriert sich alles auf den Kampf gegen die Bodenwellen. Alex Wurz sagt jedoch, dass man als Fahrer nicht viel dagegen unternehmen könne. "Man muss sie einfach akzeptieren." Nur ein bisschen Spiel mit den Federn, der Fahrzeug und einem niedrigeren Reifendruck sei möglich.

Aerodynamisch stellt die Strecke verschiedene Anforderungen an das Auto. Der erste Sektor besteht aus langen Geraden, die einen guten Top-Speed und somit flache Flügel verlangen. Im Mittelsektor würde man hingegen am liebsten mit viel Downforce, also steilen Flügeleinstellungen, fahren. Daraus folgt der berüchtigte Setup-Kompromiss.

Bei den Motoren ist auf der langen Geraden viel Power gefragt. Zudem liegt die Strecke 800m über dem Meeresspiegel. Dadurch verlieren sie rund 7% Leistung. Somit sind die 67% Vollgasanteil in Interlagos mit 62% Volllast auf Meereshöhe zu vergleichen.

S wie Schumachers Strategie

Für Michael Schumacher gilt nur eins: Attacke. Sein Ziel ist es den letzten Grand Prix seiner Karriere zu gewinnen, auch wenn er Felipe Massa am Samstag noch viel Glück für den Sieg wünschte. Noch wichtiger ist ihm jedoch der Titelgewinn, offiziell nur der in der Konstrukteurs-WM. Dafür benötigt Ferrari einen Doppelsieg und einige Fahrer, die sich vor die Renault schieben. Bei Massa stellt das kein Problem dar, seine Ausgangsposition ist perfekt. Schumacher muss hingegen etwas mit der Taktik spielen, was durch sein Qualifying-Problem erschwert wird. Schließlich konnte er keine einzige Runde fahren und muss somit mit der exakten Spritmenge ins Rennen gehen, die man für das Qualifying aufgetankt hatte.

Wann sind die planmäßigen Boxenstopps zu erwarten? Interlagos ist ein Ein- oder Zweistopprennen. Die Boxenstoppfenster liegen bei einem Stopp zwischen Runde 34 und 37 und bei zwei Stopps zwischen 20 und 29 sowie 43 und 52. Entsprechend unterscheiden sich die Standzeiten je nach Strategie. Bei einer Einstoppstrategie dauert der Tankvorgang rund 9,5 Sekunden. Bei einer Zweistoppstrategie stehen die Boliden im Idealfall nur 7,5 Sekunden. Die gesamte Boxengassenein- und Ausfahrt dauert 26 respektive 24 Sekunden.

S wie Schumachers Sonntagswetter

Auf dem Weg zum 2. Titel?, Foto: Sutton
Auf dem Weg zum 2. Titel?, Foto: Sutton

Der Brasilien GP ist berüchtigt für seine Wetterkapriolen. Im Regen können schon einmal kleine Rinnsale über die Strecke fließen und so die Piloten in Schwierigkeiten bringen. Das beste Beispiel dafür war der Chaos GP von 2003. Während des Rennens ist jedoch nicht mit Niederschlägen zu rechnen, die Regenwahrscheinlichkeit beträgt ganze 0%. Die Temperaturen sollen Nachmittag bis zu 22 Grad erreichen, was vor allem den Bridgestone-Reifen entgegen kommen sollte. Aber auch Nick Heidfeld hofft auf warme Temperaturen für seine Michelins. Am liebsten wäre dem Regenspezialisten aber natürlich ein unerwarteter Schauer.

S wie Schumachers Speed

Überholmanöver sind in Interlagos keine einfache Sache. Trotzdem lohnt ein Blick auf die Top-Speed-Werte der Piloten. Mit 309,4 km/h führte Giancarlo Fisichella die Liste im Qualifying an. Platz 2 belegte sein Teamkollege Fernando Alonso mit 309,1 km/h. Michael Schumacher konnte in der 3. Qualifying-Session nicht mehr eingreifen, dafür war seine Top-Speed-Marke aus den ersten beiden Sessions gut genug für Rang 3 der Geschwindigkeitstabelle. Er wurde mit 308,4 km/h gestoppt. Pole-Mann Felipe Massa findet sich nur auf Rang 5 wieder - mit 307,4 km/h. In diesen Werten spiegelt sich natürlich auch der Setup-Kompromiss wieder.

S wie Schumacher

"Ich tue mir schwer Vorhersagen zu treffen", schmetterte Michael Schumacher Fragen nach dem Rennausgang ab. "Das hängt davon ab, was Alonso macht. Seine Startposition ist gut, wenn er keinen Fehler macht, hat er es im Kasten", glaubt Hans Joachim Stuck. "Aber: to finish first, you have to finish first."

Dessen ist sich auch der Spanier bewusst. "Was ihm heute passiert ist, kann auch mir morgen passieren", betonte Alonso. "Dass er jetzt als Zehnter startet, ist eine große Hilfe für uns, denn er muss das Rennen unbedingt gewinnen. Und es ist auch gut für den Konstrukteurstitel, weil wir jetzt zwei Renault zwischen den Ferraris stehen haben."

Abgeschrieben hat Alonso den Ex-Champion aber auch von Platz 10 noch nicht. "Wir wissen, dass er noch immer eine Gefahr für uns sein kann, auch vom 10. Platz aus", ergänzte Pat Symonds. "Deshalb schreiben wir ihn noch nicht ab." Genauso wenig wie Felipe Massa. "Er hat ein starkes Auto und wird kämpfen wie ein Löwe", prophezeite der Pole-Mann. "Ich hoffe, dass wir 1. und 2. werden. Noch ist es auch für ihn nicht vorbei."

Auch Ross Brawn beurteilt die Situation noch nicht aussichtslos. "Wir wissen, dass wir ein schnelles Auto haben. Die Reifen sind sehr gut, wir erwarten morgen warmes Wetter, was auch den Reifen helfen sollte, und ich bin optimistisch. Michael hat schon aus schwierigeren Positionen gewonnen. Er hat ein gutes Auto, warum also nicht?"